Laxenburg/Oslo - Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale haben offenbar direkten oder indirekten Einfluss auf die Anzahl der Nachkommen: Dass Männer, die sich bei entsprechenden Tests beispielsweise als eher launisch und emotional beschreiben, heute im Durchschnitt weniger Kinder bekommen, erscheint wenig überraschend. Tatsächlich aber dürfte dieser Zusammenhang noch vor einigen Jahrzehnten keine so große Rolle gespielt haben. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien in dem Fachmagazin "European Journal of Personality".

Auf Basis detaillierter Geburtsstatistiken aus Norwegen zeigte sich auch, dass generationenübergreifend Männer mit hohen Werten in den Persönlichkeitsdimensionen "Extraversion" und "Offenheit für Erfahrungen" tendenziell mehr Kinder zeugten. Frauen, bei denen die Dimension "Gewissenhaftigkeit" stärker ausgeprägt war, hatten wiederum weniger Kinder.

In einem weitverbreiteten Modell geht die Persönlichkeitspsychologie davon aus, dass sich die menschliche Persönlichkeitsstruktur in ihren Grundzügen anhand von fünf Dimensionen beschreiben lässt. Diese sogenannten "Big Five" setzen sich aus "Neurotizismus", "Extraversion", "Offenheit für Erfahrungen", "Verträglichkeit" und "Gewissenhaftigkeit" zusammen. Dem möglichen Einfluss dieser Dimensionen auf das Fortpflanzungsverhalten gingen Wissenschafter nun unter der Leitung des IIASA-Forschers Vegard Skirbekk nach. Dafür griffen sie auf die Ergebnisse solcher Persönlichkeitstests und ebenfalls langfristig aufgezeichnete Reproduktionsdaten aus Norwegen, die einen Vergleich von Frauen und Männer zuließen, zurück.

Gesellschaftliche Veränderungen räumen Persönlichkeit höheren Stellenwert ein

Dabei zeigte sich, dass die Fertilitätsrate bei Männern mit hohen Neurotizismus-Werten - darunter werden vor allem Adjektive wie gespannt, ängstlich, nervös, launisch, empfindlich, reizbar und furchtsam subsumiert - ab dem Jahr 1957 abfiel. Skirbekk führt das vor allem auf Veränderungen in gesellschaftlichen Normen zurück: Paare warten nun länger, bis sie sich dazu entscheiden, Kinder zu bekommen und würden diese Zeit auch stärker dazu nützen, einander abzutesten. Damit käme der Persönlichkeit mehr Bedeutung zu als früher. Es wäre demnach etwa denkbar, dass Frauen Männer mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen als Väter ungeeignet finden.

Obwohl sich die Daten nur auf Norwegen beziehen, hätten sie eine gewisse Aussagekraft darüber hinaus. "Norwegen ist ein Vorreiterland in Sachen Familiendynamik", so der IIASA-Forscher. Viele internationale Trends, wie die Zunahme nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften, der Scheidungsraten und die Tendenz zur späteren Eheschließung, wurden dort erstmals beobachtet. Es sei jedoch noch unklar, ob sich auch die in der aktuellen Studie gefundenen Phänomene so verbreiten werden, wird Skirbekk zitiert. (APA/red, derStandard.at, 22.08.2013)